Thema Monatsgruß 08 09 | 2025
Kirchen als besondere Orte
Liebe Leserin, lieber Leser, Kirchen prägen durch ihre Größe und ihre imposante Erscheinung ein Stadtbild. Ein Stadtteil oder ein Dorf wird von Ferne schon an seinem Kirchturm erkannt. Aber nicht nur die Außenansicht ist wichtig. Viele Menschen gehen gerne in offene Kirchen. Sie blicken sich um und verweilen im Gotteshaus. Das ist kein Wunder. Denn Gotteshäuser sind Kraftorte.
Urlauber, aber auch Einheimische finden in ihnen mitten in ihrem Alltag Ruhe und einen Ort zum Gebet und zur Fürbitte. Durch die Botschaft seiner Bilder und Kunstwerke kann ein Gotteshaus auch Orientierung im Leben geben und eine permanente Verkündigung sein. Die eigene Kirche ist für viele Gemeindeglieder Heimat. Vielleicht wurden die eigenen Kinder oder Enkelkinder darin getauft oder die eigene Hochzeit gefeiert. Aber auch der wiederkehrende Gottesdienstbesuch lässt Kirchen zur Heimat werden. Denn wer immer wieder in den Gottesdienst kommt, lernt andere Gemeindeglieder kennen und wird so Teil einer Gemeinschaft.
Mit jeder Kirche verbinden wir auch Menschen, die sich um sie kümmern und Sorge für sie tragen. Dies können engagierte Gemeindeglieder sein, Kirchenmusiker, Seelsorgerinnen und Seelsorger und Menschen, die in der Verkündigung tätig sind. Sie alle beleben eine Kirche und lassen sie zur Heimat werden.
Kirchen sind aber auch touristische Orte. Sie werden bei Stadtführungen aufgesucht und viele Menschen besuchen im Urlaub Gotteshäuser. Hier in Lindau stehen das Münster und St. Stephan seit Jahrhunderten in unmittelbarer Nachbarschaft und werden täglich von zahlreichen Einheimischen und Urlaubern besucht. Seit vielen Jahren verbindet beide Gemeinden eine gute ökumenische Gemeinschaft. Da ist es interessant, einmal zu fragen, was dem jeweils anderen sein Gotteshaus bedeutet.
Deshalb möchte ich bei Elfriede Fischer, der Gemeindereferentin der Pfarreiengemeinschaft Lindau-Insel, nachfragen, was ihr am Münster besonders wichtig ist.
Elfriede Fischer (EF): Seit 1985 kenne ich das Münster. Ich kam vom Lechfeld als junge Frau mit meinem Mann berufsbedingt nach Lindau und erlebte es mit seiner Insellage als etwas ganz Besonderes. Das Münster wurde zu meiner Gemeinde, in der meine beiden Kinder getauft wurden. Seit 17 Jahren arbeite ich unter anderem auch im Münster als Gemeindereferentin.
Margit Walterham (MW): Was hast Du an Deiner Arbeit im Münster besonders geschätzt?
EF: Es ist die besondere Lage der Kirche auf der Insel und die Geschichte des Münsters auch gerade wegen ihrer Schicksalsschläge. Einen musste ich selbst miterleben. Im September 1987 stürzte die Decke einen Tag nach der Taufe meiner Tochter ein. In der Zeit danach erlebte ich Ökumene ganz praktisch, weil wir sonntags unsere Gottesdienste in St. Stephan feiern durften. Aber auch mit dem Münster verbinde ich viele schöne Gottesdienste.
MW: Das Münster ist reich verziert. Was ist denn Dein spiritueller Lieblingsort?
EF: Mich spricht vor allem die Komposition des Hochaltars an. Im Auszugsbild über dem Hochaltar bringt der Engel Gabriel Maria die frohe Botschaft, dass sie die Mutter des Erlösers wird. Im Altarbild wird Jesus von den drei Weisen als Licht der Welt angebetet. Was auch der Stern zum Ausdruck bringt, dessen Licht das Gesicht von Jesus und Maria erhellt. In der Anbetung der Weisen erfüllt sich die Verheißung aus dem Auszugsbild. Jesus wird wirklich geboren.
EF: Margit, Du bist jetzt fast drei Jahren hier in Lindau und in St. Stephan als Pfarrerin tätig. Was gefällt Dir an St. Stephan besonders?
MW: Es ist zum einen die Geschichte des Gotteshauses, die ganz eng mit der Geschichte der Stadt verbunden ist – ja sich sogar in St. Stephan abgespielt hat. St. Stephan ist ein hoher, weiter, lichtdurchfluteter Raum, der so gestaltet ist, dass der Mensch aufgerichtet wird und sich seiner Bedeutung bewusst wird. Die aufrichtende, bestärkende Botschaft des Evangeliums wird dadurch ganzheitlich erfahrbar.
EF: St. Stephan hat im Gegensatz zum Münster kaum Bilder. Wie geht es Dir damit?
MW: Ich schätze die klaren Strukturen, die den Blick auf die Chorfenster lenken. Dabei begeistert mich besonders, dass im Zentrum der drei Fenster der Auferstandene mit ausgebreiteten Armen auf jede Besucherin und jeden Besucher zukommt. Jeder und jede ist willkommen. Der Auferstandene vermittelt die Botschaft, dass das Leben siegt und es immer Hoffnung gibt. Dabei ist das Leid nicht ausgeblendet. Er trägt die Wundmale an seinen Händen und seinen Füßen. Zudem spricht mich die politische Botschaft an, die auf dem linken Chorfenster gezeigt wird. Das Wort Gottes steht über den Herrschern der Welt, die sich in ihrer Machtausübung an dem Wort Gottes zu orientieren haben. Auf dem rechten Chorfenster bringt das Wort vom Gekreuzigten, dargestellt als ein Diamant mit einer Dornenkrone, den Menschen Trost und Hoffnung.
EF: Eine Kirche besteht ja nicht nur aus Steinen und schönen Bildern und Fenstern. Was gefällt Dir an Deiner Arbeit an St. Stephan?
MW: Es sind die vielen Begegnungen mit Menschen. Teilweise treffe ich sie regelmäßig und es entsteht eine Verbundenheit. Das Leben wird miteinander geteilt. Es gibt aber auch viele zufällige Begegnungen mit Touristen und Einheimischen, die mich bereichern. Das vielfältige, in der Sommerzeit fast tägliche gottesdienstliche Leben in St. Stephan erfüllt mich. So wurde St. Stephan zu einem festen Ort in meinem Leben. Die Tatsache, in einer bis zur Reformation zurückgehenden Reihe von Pfarrern den Dienst in geschichtsträchtigen Räumen tun zu dürfen, erfüllt mich mit
Ehrfurcht und Dankbarkeit.
MW: Liebe Elfriede, Dein Dienst als Gemeindereferentin in der Pfarreiengemeinschaft Lindau-Insel geht ja bald zu Ende.
EF: Ab 1. September bin ich im Ruhestand. Ich arbeite in einem geringen Stundenumfang zunächst weiter und bleibe auch da der Ökumene verbunden. Deshalb werden wir auch künftig gemeinsam ökumenische Angebote machen. Privat habe ich mehr Zeit für meine Familie und für mich.
MW: So wünsche ich Dir persönlich, aber auch im Namen unserer Kirchengemeinden für die neue Lebensphase Gottes Segen. Uns allen wünsche ich erholsame Sommertage und Gottes Begleitung auf all unseren Wegen.
Ihre Pfarrerin Margit Walterham