Thema Monatsgruß 04/2023

Die Welt ist bunt – Gott sei Dank!

Seit Januar dürfen in der EU nun auch Grillen und Getreideschimmelkäfer als Lebensmittel verkauft werden. Befürworter und Befürworterinnen erhoffen sich davon eine klimafreundliche Proteinquelle, auch als Alternative zu Fleischprodukten. Das führte natürlich sofort zu einer hitzigen Debatte auf Twitter und in anderen sozialen Medien. Abgesehen von teilweise verständlichen Ekelbekundungen gegenüber den unbekannten Zutaten, fanden sich schnell auch viel radikalere Ansichten: Unter #DankeEU wetterten so manche gegen die neue Gesetzgebung und verbreiteten die Geschichte, die da oben würden im Geheimen Insektenpulver in unser Essen mischen.

 

So oder so ähnlich verlaufen inzwischen leider nicht nur viele öffent­liche Debatten, auch im Bekanntenkreis greift radikale Stimmungs­mache um sich. Meine Freund:innen und ich spüren das in eigentlich allen Lebensbereichen: Bei der Ausgestaltung der Partnerschaft, der Ernährung mit oder ohne Fleisch, den Corona-Maßnahmen und einer endlosen Liste weiterer Themen. Es gibt scheinbar nur noch radikale missionierende Veganer oder Menschen, die sich sogar mit Leberwurst die Zähne putzen müssen. In der Diskussion über solche Themen mit Verwandten, Freunden oder einer breiten Öffentlichkeit entfernen sich die verschiedenen Seiten für uns scheinbar immer weiter voneinander und polarisieren auch zunehmend. Schwarz-Weiß-Denken liegt im Trend. Die vielen bunten Meinungen zwischen den Fronten, die eigentlich von einer breiten Masse getragen werden, waschen sich aus und gleichen sich immer mehr einem der Kontrastpunkte an.

 

Die Gründe für diese Polarisierung sehen wir vor allem in den sozialen Medien und in der Gesprächskultur, die sie begünstigen: Durch diese Plattformen finden wir heute immer einfacher gleichgesinnte Menschen, die bereit sind, jede noch so fragwürdige Aussage einer Gesprächspartei zu unterstützen. Die ‚kleinen Paschas‘ mal ordentlich zurechtweisen? Gerne, sofort finden sich hunderte besorgte Bürger:innen, die das am liebsten selbst übernehmen würden. Durch die Anonymität, die beispielsweise ein Twitter-Account bieten kann, fällt auch die Hemmschwelle. Aus dem Wunsch, Rechtsextremist:innen von ihrem menschenverachtenden Kurs abzubringen, wird schnell der Aufruf zu Gewalt oder sogar Mord. Nach etwas Eingewöhnungszeit werden solche ebenfalls menschenverachtenden Aussagen zu meinem Entsetzen nicht mehr als extrem angesehen. Denn die Gewaltbereitschaft wurde schon vorher von anderen Parteien aufgegriffen und erhält nun durch diese zusätzliche Präsenz mehr gesellschaftliche Akzeptanz. Doch vor allem beeinflussen wir die gesellschaftliche Polarisierung durch unser eigenes Verhalten: Wir teilen ungeniert Beiträge von Verschwörungstheorien, ohne die Quellen einer angemessenen Prüfung zu unterziehen oder bedienen uns dem Jargon der Stimmungsmacher:innen. Bei konservativen Menschen sprechen wir schnell von ‚alten weißen Männern‘ und sorgen so dafür, dass sie sich nicht ernst genommen fühlen und extremere Positionen beziehen müssen, um Gehör zu finden. Oder wir nennen friedlich Protestierende der Letzten Generation ‚Klimaterroristen‘, ohne dass man ihnen je auch nur die Planung eines Anschlags nachweisen konnte. So werden auch ihre Sorgen nicht ernst genommen und die Gefahr einer Radikalisierung steigt.

 

Wohin das führt, können wir leider immer öfter sehen: Die Menschen entfremden sich voneinander und manche gelangen von extremistischen Reden zu extremistischen Taten. In Hanau mussten die elf Opfer von Tobias R. am 19. Februar 2020 auf brutalste Weise erfahren, in welch abscheulichen Gewalttaten das mündet. Leider kein Einzelfall und nicht nur ein deutsches Problem: Der grausame Terroranschlag auf zwei Moscheen in Christchurch 2019, die blutige Herrschaft des Islamischen Staat oder das verblendete Stürmen der Regierungssitze in den USA und Brasilien nach den letzten Wahlen. Das alles sind Konsequenzen von Radikalisierung und Extremismus, bei denen mir schlecht wird. Sie zeigen, wie unabdingbar es ist, sich für die Vielfalt zwischen Schwarz und Weiß einzusetzen und vor allem wie wichtig es ist, die Toleranz dafür allen näherzubringen.

 

Ich habe meine Freund:innen und auch mich gefragt, wie man das anstellen kann und wir haben eines positiv festgestellt: Wir Menschen wollen diskutieren. Wir wollen Veränderung bewirken. Doch dabei sind wir so auf uns selbst und unsere Meinung fokussiert, dass wir das eigentliche Ziel verfehlen: Wir sind nicht gegeneinander, sondern gegen ein Problem, das uns trennt. „Selig sind die, die Frieden stiften. Denn sie werden Kinder Gottes heißen“ (Mt5,9). Friede heißt für uns: Kompromisse und Gemeinsamkeiten in all unseren Unterschieden zu finden. Das können wir nur schaffen, wenn unsere Argumente auf Fakten aufbauen, nicht auf Emotionen. Uns verbindet zum Beispiel, dass wir einiges brauchen, um den Kontakt mit anderen Menschen als wohltuend zu empfinden und deswegen sollten wir gerade das auch spiegeln: Verständnis, Feingefühl, Wertschätzung und vor allem Respekt. Im direkten Gespräch können wir also noch einmal nachfragen: „Wie meinst du das?“

 


Oder: „Das habe ich nicht verstanden, erklär es mir bitte genauer.“ Wenn wir uns daran halten, haben wir schon die Hälfte geschafft. Dann sind wir unserem Ziel schon ein großes Stück näher: das Gegeneinander von Schwarz und Weiß zu entzerren und das Bunte im Leben zu betonen. Gott hat uns so ein reiches Leben geschenkt, warum sollten wir es nicht angemessen miteinander leben?

 

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